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Dr. Zimmer Viktor

 MEIN   NETTES  FOHLEN

« Mein nettes zärtliches Fohlen! Erst jetzt auf meine alten Tage kann ich  unsere gegenseitige Anhänglichkeit und deine Ergebenheit richtig schätzen. Du warst mir ein echter und einziger Freund in meiner schweren Nachkriegskindheit. Nur du konntest mich in meinen Kinderkummer und  Kränkungen unterstützen und zusammen mit mir den seltenen glücklichen Minuten sich zu erfreuen. Wenn ich dich  mit der halblaute Stimme anrief, warfst du deine mütterliche Zitze  und liefst zu mir, stießest dich mit der Schnauze auf meine Wange, kniffst mit den Lippen in mein Ohr, nahmst von meinen Kopf die Mütze ab, schlugst  mit den hinteren Beinen aus, erhobst dein Schwanz und  liefst durch das  dichte und  hohe Gras, als ob du mich einladest  zusammen mit dir ein wenig zu umhertollen und der Umgebung sich zu erfreuen. Du liebtest mich unvergesslich, obwohl konnte ich sehr  selten  mir erlauben dich vom Stückchen Zwieback zu bewirten. Darum riß ich gewöhnlich   unter deinen Hufen hervor ein  Bündel des frischen Grases ab und stopfte den dir in den Mund hinein, und du kautest es nachsichtig, obwohl aller Wahrscheinlichkeit nach warst du schon satt. Du nahmst von mir einen beliebigen Stress ab, du behandeltest meine kindliche Seele von der Gefühllosigkeit und der Grausamkeit, die sie die Erwachsenen verpesteten. Du warst mir nicht nur ein Freund, du warst mein älterer und jüngerer Bruder ».

Aus allen häuslichen Tieren liebte Heinrich am meisten  die Pferde. Bei einer beliebigen Möglichkeit lief er auf den Pferdestall, wo ihn sowohl die Pferde froh empfingen,  als auch der bejahrte russische Stallknecht der Onkel Vasja, der selbst  auf diese klugen fleißigen Tiere sich ehrfürchtig zu verhielt.
Jeden Sommer sollten die Schüler im Sowchose arbeiten. In 1946 hat Heinrich nach dem Abschluss der dritten Klasse gebeten, auf dem Pferdestall zu arbeiten. Der Onkel Vasja hat vor dem Verwalter der Farm ein gutes Wort eingelegt und jener hat es erlaubt.
Die Stute Murka war schwanger und sollte kurz danach fohlen. Heinrich wartete mit der Ungeduld  auf diesen Moment. In einen der Tage hat Onkel Vasja  Heinrich den Tierarzt holen lassen - Murka wurde vorbereitet eines Fohlens genesen. Der Tierarzt ist angekommen und Onkel Vasja hat sofort Heinrich aus dem Pferdestall hinausgejagt: nach seinem Begriff dem elf jährige Bengel war es noch zu früh dabei zu sein. Als sie Heinrich endlich gerufen haben, hat er ein rotbraunes Fohlen vor sich gesehen, das den Kopf noch nicht vernünftig halten konnte, aber schon versuchte, auf seine langen feinen Beinchen aufzustehen. Heinrich haben die Augen des Fohlens in Erstaunen gesetzt – tiefe, aber auch  umflorte, breit geöffnete - sahen sie verblüfft in die von ihm entdeckte Welt nach der Dunkelheit des Mutterleibes.
Von dieser zeit an wurde das Fohlen für Heinrich ein Günstling  Nummer eins unter allen Bewohnern des Pferdestalles. Der Onkel Vasja hat ihm den Rufnamen "Fuchs" gegeben, aber Heinrich schien es viel zu grob für solches anmutige Kind und er hat ihm den zärtlichen Namen  "Bübchen" gegeben. Das Fohlen hörte auf diesen Namen nur dann, wenn ihn  Heinrich rief. Jetzt verbrachte Heinrich zum größten Teil der Zeit auf dem Pferdestall daneben Murka und des Bübchen: reinigte sie und den Pferdestand, legte öfter und das bessere Futter an, betreute sie persönlich, wenn die Pferde wurden zu die Tränke getrieben. Bei dem Fluss  pfiff Heinrich leise vor sich hin und das Bübchen  hat bald verstanden, dass vom Pfiff ihn zum Trinken einladen.
Das Fohlen wuchs schnell und im Jahr fing Heinrich ihm auf den Rücken an, seine Jacke zu legen, befestigte sie unter dem Bauch, gleichsam unaufdringlich angewöhnen an den Sattel; stützte sich von den Händen über den Rücken und hüpfte, nachbildend die Landung auf das Pferd.
Jedes mal, wenn es Heinrich schlecht ging, lief er zu seinem Freund, um sich das Herz erleichtern. Dann hat er sich an ihn gedrückt, erzählte, dass die Lehrerin ihm unverdient hat die Einschätzung für die Kontrollarbeit herabgesetzt, obwohl sein russischer Nachbar in der Sitzreihe schlechter geschrieben hat, und hat "ausgezeichnet" bekommen. Heinrich wusste dann noch nicht, dass die Lehrerin die deutschen Kinder nicht mochte und durfte nicht zulassen, damit sie die Besten in der Klasse waren. Fühlend die Intonation in der Stimme Heinrichs, stellte das Bübchen ein, seines Heu  zu kauen, begann zu schnauben und böse den Kopf zu schütteln, gleichsam  der Beleidiger Heinrichs schimpfend.
Einmal gaben in der Schule den Schülern ganz neue  metallischen Federhalter aus, in ein deren Ende das Stückchen des Bleistiftes und in anderen  Schreibfeder eingestellt wurde. Bis zu dem schrieben die Kinder mit Gänsefeder und Feder aus Schilf, deshalb war die Freude der Kinder der Grenzen nicht. Heinrich stürmte sofort in rasender Eile zu dem Pferdestall, um den Federhalter dem Onkel Vasja und dem Bübchen aufzuzeigen. Als Bübchen seinen Freund  froh und lustig gesehen hat, stieß er sich mit  seiner Schnauze auf Heinrichs Brust, hat vom Huf zu Land geklopft und  von seinen großen Augen auf Heinrich, erwartend angestarrt, dass jener ihm etwas erzählen wird. Heinrich hat den Federhalter aus der Tasche herausgezogen und hat ihn zur Pferdeschnauze herangebracht. Natürlich verstand das Pferd  nichts  in den Federhalter, schüttelte den Kopf und der Federhalter, beschrieben ein Bogen in der Luft,  ist wohlbehalten in einen Heuhaufen getaucht. Heinrich wurde erstarrt - eine solche Kostbarkeit zu verlieren war für ihn  undenkbar. Er hat den Onkel Vasja erschrocken gerufen, jener ist eilig und hüpfend auf seinem lahmen Bein gekommen, noch nicht verstehend, was vorkam. Sie mussten den ganzen Heuhaufen auslesen, um diesen unglücklichen Federhalter zu finden. In dieser Zeit kaute der Fohlen  seines Futter und  gleichgültig schielte  auf die Leute, die im Heu umherkramten.

Dank der Bemühungen Heinrichs wurde Fuchs zum Sattel  schnell angewöhnt, aber an den Leiterwagen wollte er lange auf keine Weise gespannt werden: spitzte die Ohren, schlug mit  den hinteren Beinen aus, versuchte den Kopf aus dem Kummet herauszuziehen, von der Seite trat aus dem Gabelarm hervor. Der Onkel Vasja ärgerte sich, warf diese Beschäftigung und wartete auf Heinrich. Als Heinrich kam, umhalste er Bübchen, flüsterte ihm auf das Ohr  zärtliche Worte und  nach einigen Versuchen wurde das Pferd gebändigt. Jetzt durfte Heinrich  Bübchen in die Schwemme flott reiten oder stolz auf dem leichte Fahrzeug durch das Dorf vorbeizufahren.

An dem unglückseligen Tag, als Heinrich verstand, das er nicht kann auf den Maler zu lernen fahren, ist er von dem Kommandant, der ihm das verbotet, wie es wurde auch früher oft passiert, auf den Pferdestall gegangen. Seinen Liebling hat er schon auf dem Pferdestall nicht gefunden. Der Onkel Vasja verwunderte sich über das blasse  Gesicht und den verwirrten Zustand Heinrichs, aber ohne Fragen zu stellen erklärte, wo man Fuchs finden kann. Fuchs arbeitete auf der Heuernte, die hinter einem Wald lag und nicht weit von dem Dorf entfernt war.  Heinrich ist schnell  durch das Gebüsch  gegangen. Die Zweige der Bäume peitschten ihn auf die Wangen und auf  die Seele schlugen die Worte des Kommandanten. Heinrich hat Bübchen bei dem Schober  gefunden. Die Frau erlaubte Heinrich mit dem Vergnügen für sie zu arbeiten. Bübchen begegnete Heinrich froh, schüttelte den Kopf freundlich einige Male, versuchte von den Lippen Heinrichs  Ohr einzuklemmen. Heinrich setzte sich nicht auf das Pferd, führte es beim Zaum haltend. Er schmiegte sich mit dem Kopf an Bübchens Schnauze, die Tränen rannten über die Wangen, er versuchte sie von dem Gesicht zu löschen, aber nur verstrich sie zusammen mit dem Staub und weinte lautlos noch mehr. Andere Frau, die das Heu auf die Schleppe auflegte, fragte ihn erschrocken: « Wer hat doch  dich so gekränkt? » Die Frage blieb unbeantwortet, Heinrich hat nur  aufgeschluchzt und schamhaft sich abgewendet. Bübchen schaute auf Heinrich mitfühlend von seinen lila Augen und schnaubte böse auf jemanden dort in nur ihm bekannte Richtung.
„Wofür ist solche Ungerechtigkeit? – traurig dachte Heinrich – Nur, weil ich ein Deutsche bin?  Mein russische Freund braucht doch keine Erlaubnis nicht!“
Er stieg auf das Pferd, legte sich mit der Brust und mit dem Gesicht auf Bübchens Mähne und sie gingen langsam zum Schober. Von der Pferdeteilnahme und der Wärme seines Körpers wurde Heinrich gemütlich geworden, er hat erleichtert geseufzt und sich beruhigt.

Heinrich bekam eine neue Arbeit: im benachbarten Dorf die Post zu bekommen und sie nach allen Abteilungen des Sowchoses hinzufahren. Er hat  Onkel Vasja zugeredet, ihm den Fuchs zu geben. Am Morgen spannte Heinrich das Pferd an den zweirädriger Gabelwagen und den ganzen Tag im Trab oder im Schritt fuhren sie  alle umliegenden Siedlungen ab. In die mittägliche Unterbrechung spannte Heinrich irgendwo im Feld das Pferd ab, gab ihm sich gefüttert zu werden und zu erholen, ergötzte sich auf in aus der Ferne, aß etwas aus der Tüte, die die Mutter ihm mitgegeben hat, ließ ein Stückchen von dem Brot und bewirtete von ihm seinen Liebling.
Es war ihr Verabschiedungssommer - im Herbst musste Heinrich in das Bezirkszentrum abreisen, an die achte Klasse der Mittelschule gehen, um weiter zu lernen.

„Mein liebes Bübchen! Wenn du noch lebend wärest, würde ich ohne Nachdenken noch einmal in meine nicht  sehr glückliche Kindheit hingefahren, um mit dir durch das hohe grüne Gras zu wandern, im Fluss zu baden,  auf dein Rücken steigen und auf dem staubigen Feldweg zu reiten. Mein nettes Fohlen …“

Juli   2007