Dr. Zimmer Viktor MEIN NETTES FOHLEN « Mein nettes zärtliches Fohlen! Erst jetzt auf meine alten Tage kann ich unsere gegenseitige Anhänglichkeit und deine Ergebenheit richtig schätzen. Du warst mir ein echter und einziger Freund in meiner schweren Nachkriegskindheit. Nur du konntest mich in meinen Kinderkummer und Kränkungen unterstützen und zusammen mit mir den seltenen glücklichen Minuten sich zu erfreuen. Wenn ich dich mit der halblaute Stimme anrief, warfst du deine mütterliche Zitze und liefst zu mir, stießest dich mit der Schnauze auf meine Wange, kniffst mit den Lippen in mein Ohr, nahmst von meinen Kopf die Mütze ab, schlugst mit den hinteren Beinen aus, erhobst dein Schwanz und liefst durch das dichte und hohe Gras, als ob du mich einladest zusammen mit dir ein wenig zu umhertollen und der Umgebung sich zu erfreuen. Du liebtest mich unvergesslich, obwohl konnte ich sehr selten mir erlauben dich vom Stückchen Zwieback zu bewirten. Darum riß ich gewöhnlich unter deinen Hufen hervor ein Bündel des frischen Grases ab und stopfte den dir in den Mund hinein, und du kautest es nachsichtig, obwohl aller Wahrscheinlichkeit nach warst du schon satt. Du nahmst von mir einen beliebigen Stress ab, du behandeltest meine kindliche Seele von der Gefühllosigkeit und der Grausamkeit, die sie die Erwachsenen verpesteten. Du warst mir nicht nur ein Freund, du warst mein älterer und jüngerer Bruder ». Aus allen häuslichen Tieren liebte Heinrich am meisten die Pferde. Bei einer beliebigen Möglichkeit lief er auf den Pferdestall, wo ihn sowohl die Pferde froh empfingen, als auch der bejahrte russische Stallknecht der Onkel Vasja, der selbst auf diese klugen fleißigen Tiere sich ehrfürchtig zu verhielt. Dank der Bemühungen Heinrichs wurde Fuchs zum Sattel schnell angewöhnt, aber an den Leiterwagen wollte er lange auf keine Weise gespannt werden: spitzte die Ohren, schlug mit den hinteren Beinen aus, versuchte den Kopf aus dem Kummet herauszuziehen, von der Seite trat aus dem Gabelarm hervor. Der Onkel Vasja ärgerte sich, warf diese Beschäftigung und wartete auf Heinrich. Als Heinrich kam, umhalste er Bübchen, flüsterte ihm auf das Ohr zärtliche Worte und nach einigen Versuchen wurde das Pferd gebändigt. Jetzt durfte Heinrich Bübchen in die Schwemme flott reiten oder stolz auf dem leichte Fahrzeug durch das Dorf vorbeizufahren. An dem unglückseligen Tag, als Heinrich verstand, das er nicht kann auf den Maler zu lernen fahren, ist er von dem Kommandant, der ihm das verbotet, wie es wurde auch früher oft passiert, auf den Pferdestall gegangen. Seinen Liebling hat er schon auf dem Pferdestall nicht gefunden. Der Onkel Vasja verwunderte sich über das blasse Gesicht und den verwirrten Zustand Heinrichs, aber ohne Fragen zu stellen erklärte, wo man Fuchs finden kann. Fuchs arbeitete auf der Heuernte, die hinter einem Wald lag und nicht weit von dem Dorf entfernt war. Heinrich ist schnell durch das Gebüsch gegangen. Die Zweige der Bäume peitschten ihn auf die Wangen und auf die Seele schlugen die Worte des Kommandanten. Heinrich hat Bübchen bei dem Schober gefunden. Die Frau erlaubte Heinrich mit dem Vergnügen für sie zu arbeiten. Bübchen begegnete Heinrich froh, schüttelte den Kopf freundlich einige Male, versuchte von den Lippen Heinrichs Ohr einzuklemmen. Heinrich setzte sich nicht auf das Pferd, führte es beim Zaum haltend. Er schmiegte sich mit dem Kopf an Bübchens Schnauze, die Tränen rannten über die Wangen, er versuchte sie von dem Gesicht zu löschen, aber nur verstrich sie zusammen mit dem Staub und weinte lautlos noch mehr. Andere Frau, die das Heu auf die Schleppe auflegte, fragte ihn erschrocken: « Wer hat doch dich so gekränkt? » Die Frage blieb unbeantwortet, Heinrich hat nur aufgeschluchzt und schamhaft sich abgewendet. Bübchen schaute auf Heinrich mitfühlend von seinen lila Augen und schnaubte böse auf jemanden dort in nur ihm bekannte Richtung. Heinrich bekam eine neue Arbeit: im benachbarten Dorf die Post zu bekommen und sie nach allen Abteilungen des Sowchoses hinzufahren. Er hat Onkel Vasja zugeredet, ihm den Fuchs zu geben. Am Morgen spannte Heinrich das Pferd an den zweirädriger Gabelwagen und den ganzen Tag im Trab oder im Schritt fuhren sie alle umliegenden Siedlungen ab. In die mittägliche Unterbrechung spannte Heinrich irgendwo im Feld das Pferd ab, gab ihm sich gefüttert zu werden und zu erholen, ergötzte sich auf in aus der Ferne, aß etwas aus der Tüte, die die Mutter ihm mitgegeben hat, ließ ein Stückchen von dem Brot und bewirtete von ihm seinen Liebling. „Mein liebes Bübchen! Wenn du noch lebend wärest, würde ich ohne Nachdenken noch einmal in meine nicht sehr glückliche Kindheit hingefahren, um mit dir durch das hohe grüne Gras zu wandern, im Fluss zu baden, auf dein Rücken steigen und auf dem staubigen Feldweg zu reiten. Mein nettes Fohlen …“ Juli 2007
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